Unsere Infobroschüren als Download

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Olching

Pflichtteil

Wer im Testament oder Erbvertrag enterbt worden ist, hat Anspruch auf einen Pflichtteil, wenn er entweder Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner des Erblassers ist oder zu diesem in einem bestimmten Verwandtschaftsverhältnis steht (Kind bzw. Enkel, wenn das Kind bereits vorverstorben ist). Darüber hinaus erhalten auch Eltern einen Pflichtteil, wenn der Erblasser selbst keine Kinder hatte. Für die Berechnung der Höhe des Pflichtteils sind die Anzahl der sonstigen pflichtteilsberechtigten Personen und, wenn der Erblasser verheiratet war, der Güterstand der Ehe ausschlaggebend. Der Pflichtteil beträgt stets die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

 

 

Beispiel:

Herr Müller aus Fürstenfeldbruck ist mit seiner Frau in Zugewinngemeinschaft verheiratet. Sie haben zwei Kinder. Wenn Herr Müller seine Frau im Testament zur Alleinerbin einsetzt, erhalten beide Kinder jeweils einen Pflichtteil in Höhe von einem Achtel. Wären Herr Müller und seine Frau hingegen in Gütertrennung (Ehevertrag) verheiratet gewesen, hätte der Pflichtteil pro Kind deutlich mehr, nämlich ein Sechstel betragen.

 

Häufig ist streitig, welche Vermögensgegenstände und Schulden im Rahmen des Pflichtteils berücksichtigt werden müssen und wie sie bewertet werden.

 

 

Pflichtteilsergänzungsansprüche

Zum Pflichtteil zählen unter bestimmten Umständen auch Schenkungen, die der Erblasser bereits zu Lebzeiten gemacht hat.

 

 

Beispiel:

Herr Müller aus Fürstenfeldbruck hat seiner Tochter im Jahr 1990 ein Einfamilienhaus in Fürstenfeldbruck im Wert von umgerechnet 800.000 € unter Vorbehalt des Nießbrauches übertragen. Am 15.01.2014 hat er an seine Tochter und an seine Ehefrau jeweils 100.000 Euro in bar verschenkt. Als er am 28.11. 2015 verstirbt, besteht sein Vermögen im Wesentlichen aus einer weiteren Immobilie in Puchheim im Wert von 1 Million Euro. Er hinterlässt seine Frau, seine Tochter und einen außerehelichen Sohn. Im Testament hatte er seine Ehefrau zur Alleinerbin eingesetzt. Der Sohn hat nunmehr einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von einem Achtel. Dieser Anspruch bezieht sich zunächst auf die Immobilie in Puchheim und beträgt somit 125.000 €. Zum Pflichtteilsanspruch werden ferner Schenkungen, die nicht länger als zehn Jahre zurückliegen, dazu gerechnet. Dabei schmelzen diese Schenkungen aber für jedes volle Jahr, das seit der Schenkung verstrichen ist, um 10 % ab, so dass die 100.000 €, die er am 15.1.2014 an seine Tochter verschenkt hat, noch mit 90.000 € für den Pflichtteil relevant sind; es ergibt sich damit ein entsprechender Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 11.250 €. Hinsichtlich der Schenkung an die Ehefrau findet jedoch keine Abschmelzung statt, so dass hier Pflichtteilsergänzungsansprüche in Höhe von 12.500 € entstehen. Bezüglich der im Jahre 1990 unter Vorbehalt des Nießbrauchs geschenkten Immobilie gilt die 10-Jahres-Frist nicht, und es findet auch keine Abschmelzung statt, so dass aufgrund der Schenkung der Immobilie weitere Pflichtteilsergänzungsansprüche in Höhe von 100.000 € entstehen.

 

 

Zu den Schenkungen zu Lebzeiten zählen auch Zahlungen, die der Erblasser für eine Lebensversicherung geleistet hat, die nach seinem Ableben einer anderen Person zugutekommt.

 

 

Beispiel:

Max Müller aus München hat zu Lebzeiten insgesamt 200.000 € in eine Lebensversicherung eingezahlt, deren Bezugsberechtigte nach seinem Tod seine Nichte Nina ist. Als Max verstirbt, erhält Nina aus der Lebensversicherung 300.000 € ausbezahlt. Der Rückkaufswert der Lebensversicherung zum Todeszeitpunkt beträgt 250.000 €. Da Max seinen Sohn enterbt und seine Ehefrau zur Alleinerbin eingesetzt hat, hat sein Sohn einen Anspruch darauf, dass bei der Berechnung des ihm zustehenden Pflichtteils der Rückkaufswert der Lebensversicherung zum Todeszeitpunkt im Wert von 250.000 € berücksichtigt wird. Besonders unangenehm ist hierbei für seine Ehefrau als Alleinerbin, dass sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Sohnes gegen sie richtet, während die Lebensversicherung der Nichte zugeflossen ist. Die Ehefrau kann daher gegenüber ihrem Sohn die Auszahlung des Pflichtteils verweigern, soweit die ihr zugefallene Erbschaft dadurch so weit verringert würde, dass ihr nicht einmal selbst der Pflichtteil verbliebe. Darüber hinaus kann sie eventuell ihrerseits Pflichtteilsergänzungsansprüche gegenüber der Nichte geltend machen.

 

Auch dem Erben selbst können unter bestimmten Umständen Pflichtteilsergänzungsansprüche zustehen, wenn die Erbschaft durch Schenkungen zu Lebzeiten soweit verringert wurde, dass ihm weniger als sein Pflichtteil verbleibt.

 

 

Beispiel:

Erna Müller aus Gröbenzell ist verwitwet und hat eine einzige Tochter, Brigitte. Ihr Vermögen besteht aus einer Eigentumswohnung in Gröbenzell im Wert von 400.000 € und einem Aktiendepot im Wert von 1 Million Euro. Kurz vor ihrem Tod überträgt sie das Aktiendepot ihrem Lebensgefährten Alfred.

 

Als Erna ohne Hinterlassung eines Testaments verstirbt, wird Brigitte ihre gesetzliche Alleinerbin. Sie erbt damit die Eigentumswohnung im Wert von 400.000 €. Auch als Erbin hat Brigitte allerdings Pflichtteilsergänzungsansprüche. Diese richten sich auf das vor dem Tod verschenkte Vermögen. Rechnet man das verschenkte Vermögen und das zum Todeszeitpunkt noch vorhandene Vermögen zusammen, ergibt sich ein Gesamtwert von 1.400.000 €. Der rechnerische Pflichtteil von Brigitte beträgt 50 %, so dass sie am tatsächlichen und fiktiven Nachlass ihrer Mutter mit insgesamt 700.000 € beteiligt werden müsste. Da ihr im Wege der Erbschaft nur 400.000 € zugeflossen sind, hat sie einen weiteren Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 300.000 € gegen Alfred.

 

Da es für den Erben stets unangenehm ist, den Pflichtteil bezahlen zu müssen, sollte auch über eine  Pflichtteilsentziehung  oder einen Pflichtteilsverzicht  nachgedacht werden.

 

 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Markus Rainer berät Sie umfassend hinsichtlich der Geltendmachung und Abwehr von Pflichtteilsansprüchen und Pflichtteilsergänzungsansprüchen - außergerichtlich und vor Gericht. Bei der Bewertung von Immobilien im Nachlass arbeiten wir mit erfahrenen und kompetenten Sachverständigen für Immobilienbewertung zusammen.

 

Bewerten Sie diesen Artikel:

 

©Rechtsanwalt Markus Sebastian Rainer 2018 //  made by: www.abart-d-sign.de