Unsere Infobroschüren als Download

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Olching

In dubio pro vita – Wie mache ich die Patientenverfügung richtig?

 

Der BGH hatte sich in letzter Zeit häufiger mit der Problematik der Patientenverfügungen auseinanderzusetzen. Der 12. Zivilsenat hat drei Beschlüsse zu den rechtlichen Anforderungen an die Formulierung einer Patientenverfügung und deren faktischer Umsetzung erlassen. Auch mit Beschluss vom 04.11.2018 (Az.: XII ZB 107/18) hatte der BGH sich erneut mit einer Patientenverfügung auseinanderzusetzen.

 

Die aufgrund eines Herz-Kreislauf-Stillstandes im wachkomatösen Zustand befindliche Patientin hatte in ihrer Patientenverfügung verfügt, dass, solange eine realistische Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens besteht, ein ärztlicher und pflegerischer Beistand unter Ausschöpfung der angemessenen Möglichkeiten erwartet wird. Lebensverlängernde Maßnahmen sollten unterbleiben, wenn sich die Betroffene unmittelbar im Sterbeprozess befindet, keine Aussicht auf das Wiedererlangen des Bewusstseins besteht, aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt oder es zu einem nicht behandelbaren dauernden Ausfall lebenswichtiger Funktionen des Körpers kommt. In diesen Fällen sollten Behandlung und Pflege auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist. Die Patientin wollte nach eigenen Angaben in Würde und Frieden sterben und nach Möglichkeiten in der vertrauten Umgebung. Aktive Sterbehilfe lehnte sie ab und bat um menschliche und seelsorgerische Begleitung.

 

In derselben Urkunde hat sie ihrem Sohn die Vollmacht erteilt, alle erforderlichen Entscheidungen mit den Ärzten abzusprechen und ihren Willen zu formulieren.

 

Im Jahr 1998 hat sie gegenüber Familienangehörigen und Bekannten ausgeführt, sie wolle nicht künstlich ernährt und auch nicht am Leben erhalten werden. Sie habe durch eine Patientenverfügung vorgesorgt, so dass ihr das nicht passieren könne. Nachdem der Sohn und der Ehemann zu Betreuern bestellt worden waren, waren der Sohn und der behandelnde Arzt sich einig, die künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr einzustellen, da dies dem Willen der Patientenverfügung entspreche. Der Ersatzbetreuer, der Ehemann, lehnte dies ab.

 

Das Landgericht hat ausgeführt, dass die Betroffene in der Patientenverfügung festgelegt hat, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben sollen, wenn keine Aussicht auf die Wiedererlangung des Bewusstseins mehr besteht. Dieser Fall liege hier vor, weshalb eine Einwilligung des Betreuers in die Maßnahme nicht erforderlich sei. Die Betroffene habe diese Entscheidung bereits selbst getroffen und diesen Willen in der Patientenverfügung niedergelegt. Das Gericht hatte auszulegen, ob der Satz „aktive Sterbehilfe lehne ich ab“, diesem Willen entgegensteht, kam im Ergebnis aber dazu, dass dies nicht der Fall ist, da der Abbruch der künstlichen Ernährung nicht unter den Begriff der aktiven Sterbehilfe falle. Einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedurfte es nicht, da die Betroffene den Willen bereits in der wirksamen Patientenverfügung niedergelegt hat und diese auch auf die vorliegende Situation zutraf. In diesen Fällen ist eine Einwilligung des Betreuers nicht erforderlich, da der Betroffene die Entscheidung selbst in einer alle Betreuer bindenden Weise getroffen hat. Dem Betreuer obliegt es in diesem Fall nach § 1901 a Abs. 1 S. 2 BGB nur noch, dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Hierfür muss die Patientenverfügung konkret die Behandlungssituation beschreiben, in der die Verfügung gelten soll und auch die ärztlichen Maßnahmen genau bezeichnen, in welche eingewilligt wird oder welche untersagt werden.

 

Es sollte daher bei Abfassen der Patientenverfügung dringend darauf geachtet werden, dass diese so eindeutig wie möglich verfasst ist und den tatsächlichen Willen des Betroffenen wiedergibt.

 

In Deutschland kursieren eine Vielzahl von Formularen für Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten, welche vielfach rechtlich unwirksame Formulierungen enthalten. Dies liegt an der laienhaften Abfassung und an der Unkenntnis medizinischer Abläufe bei schwerer Krankheit und Sterbevorgängen. Wichtig ist, dass sich der Wille der betroffenen Person nicht allein aus der Patientenverfügung ergibt, sondern, bei rechtlichen Mängeln des Textes, durch Beweiserhebung und Auslegung zu ermitteln ist, was der wahre Patientenwille bei Abfassung der Patientenverfügung wirklich war. Mündliche Behandlungswünsche sind ebenso rechtsverbindlich wie der ermittelte mutmaßliche Wille. Problematisch ist hierbei, dass der Patientenwille oftmals nicht den unglücklich formulierten Patientenverfügungen und häufig auch nicht dem Willen der Angehörigen entspricht. Das Problem ergibt sich also insbesondere aus der unüberwindbaren Emotionalität der Angehörigen, wenn es um das Zulassen des Sterbens geht. Bei verbleibenden Zweifeln bleibt es natürlich dabei: In dubio pro vita.

 

 

 

 

Rechtsanwalt / Fachanwältin für Erbrecht / Fachanwältin für Familienrecht

 

Stefanie Brinkema

Rechtsanwältin / Fachanwältin für Erbrecht / Fachanwältin für Familienrecht

 

 

©Rechtsanwalt Markus Sebastian Rainer 2018 //  made by: www.abart-d-sign.de