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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Olching

Wann dürfen die Erben die Betreuungsakte des Erblassers einsehen?

 

Mit einem prekären Thema hatte sich das Landgericht Stendal (Beschluss vom 12.11.2018, Az.: 25 T 33/18) zu befassen. Die Erblasserin hatte zu Lebzeiten einen rechtlichen Betreuer. Nach dem Tode der Erblasserin haben die Kinder der Erblasserin Einsicht in die bei Gericht geführten Betreuungsakten beantragt. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Bestand des Nachlasses zu ermitteln sei und die Umstände der Übertragung eines Grundstückes der psychisch-kranken Erblasserin an einen Dritten ermittelt werden sollten. Die Erbfolge war wegen des Vorliegens diverser Testamente und Ausschlagungserklärungen auch nicht abschließend geklärt. Das Akteneinsichtsgesuch wurde vom Betreuungsgericht mit dem Hinweis abgelehnt, dass kein ausreichendes Interesse vorliegen würde, welches unter Abwägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Erblasserin, welches auch postmortal weitergelte, eine Aktensicht rechtfertigen würde.

 

Das Landgericht Stendal hat hierzu entschieden, dass den Erben das Recht auf Akteneinsicht nach § 13 Abs. 2 FamFG zusteht. Danach können Personen, die an dem Verfahren nicht beteiligt sind, Einsicht erhalten, soweit sie ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen und schutzwürdige Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten nicht entgegen stehen. Die Beschwerdeführer sind als Abkömmlinge der Erblasserin deren gesetzliche Erben. Somit steht ihnen das berechtigte Interesse im Sinne des § 13 Abs. 2 FamFG zu, da ihr künftiges Verhalten auf Durchsetzung möglicher Rechtsansprüche durch die Kenntnis vom Akteninhalt beeinflusst werden kann, so das Landgericht Stendal. Dies war vorliegend auch insbesondere im Hinblick auf die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks der Erblasserin an einen Dritten gegeben. Auch die Abwägung zwischen dem auch postmortal fortwirkenden Interesse der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung und dem Informationsinteresse der Antragsteller führe hier zu einem Überwiegen des Informationsinteresses der Antragsteller. Schutzwürdige Interessen eines Dritten stünden gleichfalls nicht entgegen. Die Akteneinsicht habe daher zu erfolgen.

 

Die Entscheidung ist wichtig, da gerade im Hinblick auf immer strenger werdenden Datenschutzrichtlinien nur wenige Gerichte entsprechende Entscheidungen treffen bzw. veröffentlichen. Dies macht die Entscheidung des Landgerichts Stendal für die Praxis bedeutsam, da ein Akteneinsichtsrecht in die Betreuungsakten lediglich noch vom OLG Stuttgart (FamRZ 2011, 1189) und dem Landgericht Mainz (ZEV 2018, 417) bejaht werden. Das Landgericht Mainz führt hierzu aus, dass den gesetzlichen Erben aufgrund von gegebenen Pflichtteilsansprüchen ein Akteneinsichtsrecht zusteht, denn die Antragsteller haben als Pflichteilsberechtigte ein berechtigtes Interesse daran, sich Kenntnis vom Umfang des Nachlasses und damit von der Höhe ihrer etwaigen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche zu verschaffen, weil dies ihr Vorgehen gegen die Erben und Pflichtteilsschuldner beeinflussen kann.

 

Erfreulich an der zitierten Entscheidung des Landgerichts Stendal ist darüber hinaus, dass dies ohne Weiteres die Aktensicht durch Übersendung der Akte in die Kanzlei des Verfahrensbevollmächtigten bewilligt hat, da § 13 FamFG grundsätzlich bestimmt, dass die Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle des Gerichts erfolgt. Zwar regelt § 13 Abs. 4 FamFG, dass einem Rechtsanwalt oder Notar die Akten auch in deren Geschäftsräumen übersandt werden können, in der Praxis machen die Nachlassgerichte von dieser Regelung allerdings faktisch keinen Gebrauch. Eine Versagung der Aktenübersendung ist auch nicht anfechtbar, so dass in diesbezüglicher Hinsicht ebenfalls das Urteil des Landgerichts Stendal für die Praxis erfreulich war.

 

Bemerkenswert ist das Urteil auch in datenschutzrechtlicher Hinsicht, da das Landgericht Stendal die am 24.05.2016 in Kraft getretene EU-Datenschutzgrundverordnung nicht einmal in den Urteilsgründen erwähnt hat.

 

 

 

 

Rechtsanwalt / Fachanwältin für Erbrecht / Fachanwältin für Familienrecht

 

Stefanie Brinkema

Rechtsanwältin / Fachanwältin für Erbrecht / Fachanwältin für Familienrecht

 

 

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