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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Olching

Wichtige Entscheidung des BGH zum Schadensersatz bei lebenserhaltenden Maßnahmen (kein Vorliegen einer Patientenverfügung)

 

Mit Urteil vom 02.04.2019 (Az.: ZR 13/18) hat der BGH wegweisend über das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen von Schmerzensgeldansprüchen aus ererbtem Recht des Erblassers aufgrund lebenserhaltender Maßnahmen entschieden.

 

Der 1929 geborene Erblasser litt an fortgeschrittener Demenz. Er war bewegungs- und kommunikationsunfähig. In den letzten beiden Jahren seines Lebens kamen Lungenentzündungen und eine Gallenblasenentzündung hinzu. Im Oktober 2011 verstarb er. Der Erblasser wurde von September 2006 bis zu seinem Tode mittels einer Magensonde künstlich ernährt. Er stand unter Betreuung eines Rechtsanwalts. Der Beklagte, sein Hausarzt, betreute den Patienten und veranlasste die künstliche Ernährung. Der Erblasser hatte keine Patientenverfügung errichtet. Sein Wille hinsichtlich des Einsatzes lebenserhaltender Maßnahmen ließ sich auch nicht auf andere Weise feststellen.

 

Der Kläger, der Sohn des Erblassers, machte geltend, die künstliche Ernährung habe spätestens seit Anfang 2010 nur noch zu einer sinnlosen Verlängerung des krankheitsbedingten Leidens des Patienten geführt. Der Arzt sei verpflichtet gewesen, das Sterben des Erblassers zuzulassen durch Beendigung der lebenserhaltenen Maßnahmen. Er verlangt daher von dem Beklagten Schmerzensgeld sowie Ersatz für Behandlungs- und Pflegeaufwendungen.

 

Das Landgericht München I hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht München dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000,00 € zugesprochen. Zur Begründung führte es aus, der Beklagte sei im Rahmen seiner Aufklärungspflicht gehalten gewesen, mit dem Betreuer die Fortsetzung oder Beendigung der Sondenernährung zu erörtern; dies habe er unterlassen. Die Lebens- und gleichzeitig Leidensverlängerung des Erblassers stelle einen ersatzfähigen Schaden dar. Hierzu hat sich der Bundesgerichtshof nun eindeutig positioniert und durch den 6. Zivilsenat auf die Revision des Beklagten das klageabweisende Urteil des Landgerichts wiederhergestellt. Der BGH führt hierzu aus, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes zu, und es könne dahinstehen, ob der Beklagte tatsächlich seine Pflichten verletzt habe. Es fehle jedenfalls an dem Vorliegen eines immateriellen Schadens. Der BGH führt hierzu aus:

 

„[…] hier steht der durch die künstliche Ernährung ermögliche Zustand des Weiterlebens mit krankheitsbedingten Leiden dem Zustand gegenüber, wie er bei Abbruch der künstlichen Ernährung eingetreten wäre, also dem Tod. Das menschliche Leben ist ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig. Das Urteil über seinen Wert steht keinem Dritten zu. Deshalb verbietet es sich, das Leben – auch ein leidensbehaftetes Leben – als Schaden anzusehen (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG). Auch wenn ein Patient selbst sein Leben als lebensunwert erachten mag, mit der Folge, dass eine lebenserhaltende Maßnahme gegen seinen Willen zu unterbleiben hat, verbietet die Verfassungsordnung aller staatlichen Gewalt einschließlich der Rechtsprechung ein solches Urteil über das Leben des betroffenen Patienten mit der Schlussfolgerung, dieses Leben sei ein Schaden.“

 

Der BGH lehnte darüber hinaus den Ersatz von Behandlungs- und Pflegeaufwendungen ab. Schutzzweck der Aufklärungspflicht sei es nicht, wirtschaftliche Belastungen zu vermeiden, insbesondere diene die Pflicht nicht dazu, den Erben das Vermögen des Patienten möglichst unverschmälert zu erhalten.

 

Mit diesem Urteil dürfte künftigen Klagen auf Geltendmachung von Schmerzensgeldzahlungen aufgrund zu Unrecht erfolgter lebenserhaltender Maßnahmen der Boden entzogen sein. Darüber hinaus wird wieder einmal allzu deutlich, wie wichtig das Errichten einer eindeutigen Patientenverfügung ist.

 

 

 

Rechtsanwalt / Fachanwältin für Erbrecht / Fachanwältin für Familienrecht

 

Stefanie Brinkema

Rechtsanwältin / Fachanwältin für Erbrecht / Fachanwältin für Familienrecht

 

 

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