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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Olching

Wie man erbt, ohne im Testament zu stehen und ohne mit dem Erblasser verwandt zu sein

 

Grundsätzlich gilt: Erbe kann nur werden, wer entweder mit dem Erblasser verwandt ist oder im Testament steht. Es gibt jedoch auch Konstellationen, in denen man Erbe wird, ohne eine von beiden Voraussetzungen zu erfüllen, wie das folgende Beispiel zeigt:

 

Doris Müller aus München hat eine Tochter aus erster Ehe, Elisabeth. Sie heiratet in zweiter Ehe Max Huber aus München. Die beiden Ehegatten verfassen folgendes gemeinschaftliches Testament: „Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.“

 

Max Huber hat keine eigenen Kinder. Seine einzigen Verwandten sind zwei Cousins, zu denen er nur sporadischen Kontakt hat.

 

Elisabeth entwickelt ein sehr enges Verhältnis zu ihrem Stiefvater. Alle Familienfeiern verbringen die drei gemeinsamen, und sie besuchen sich häufig gegenseitig. Als sich Elisabeth eine Eigentumswohnung in München kauft, schenkt ihr Max als Zuschuss 100.000 €.

 

Einige Jahre später verstirbt Doris. Aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments wird Max ihr Alleinerbe.

 

Als Max seinerseits einige Zeit später verstirbt, stellt sich die Frage, wer sein Erbe wird:

 

Das Testament läuft ins Leere

 

Das gemeinschaftliche Testament, in dem sich die Ehegatten gegenseitig bedacht hatten, läuft ins Leere, weil Doris, die Max eigentlich zu seiner Erbin berufen hatte, bereits vor ihm verstorben ist.

 

Man könnte nun auf den Gedanken kommen, dass gesetzliche Erbfolge eingetreten ist, also die beiden Cousins von Max einen Erbschein beantragen können, der sie als seine gesetzlichen Erben ausweist.

 

Dies ist jedoch nicht richtig:

 

Was wollte der Erblasser?

 

Bevor gesetzliche Erben zum Zuge gelangen, sind zunächst alle vorhandenen Testamente zu prüfen und auszulegen. Dabei gilt es, den wahren Willen des Erblassers zu ermitteln.

 

Als Doris und Max ihr gemeinschaftliches Testament verfassten, dachten sie offensichtlich überhaupt nicht darüber nach, was nach dem Tod des Partners, der als zweites verstirbt, geschehen sollte – das Testament weist hier eine Lücke auf. Diese Lücke muss jetzt gefüllt werden, indem ermittelt wird, was der Erblasser gewollt hätte, wenn ihm die Lückenhaftigkeit des Testaments bewusst gewesen wäre.

 

In vielen Ehen gehen die Partner wie selbstverständlich davon aus, dass der Mann vor der Frau versterben wird – was ja statistisch auch durchaus richtig ist, weil gerade in Ehen, die bereits vor einigen Jahrzehnten geschlossen wurden, der Mann oftmals älter ist als die Frau und die Lebenserwartung von Frauen statistisch höher liegt als die Lebenserwartung von Männern. Doris und Max gingen also davon aus, dass Max vor seiner Frau versterben würde. In diesem Fall hätte sie sein gesamtes Vermögen geerbt, und nach ihrem Tod wäre Elisabeth als ihre einzige Tochter ihre gesetzliche Erben geworden. Dies wäre sicherlich auch im Sinne von Max gewesen, der zu seiner Stieftochter ein enges und herzliches Verhältnis hatte.

 

Um dieses Ziel auch dann zu erreichen, wenn Doris vor Max verstirbt, hätten die Ehegatten in dem gemeinschaftlichen Testament Elisabeth als Ersatzerbin nach dem Tod von Max eingesetzt – wenn sie denn daran gedacht hätten.

 

Ergänzende Auslegung des Testaments

 

Im Wege der ergänzenden Auslegung des Testaments gelangt man daher zu dem Ergebnis, dass die Wünsche von Max nur dann verwirklicht werden können, wenn Elisabeth die Alleinerbin von Max wird. Hierfür spricht auch, dass Max ihr bereits zu Lebzeiten einen bedeutenden Geldbetrag geschenkt hat, woraus sich ableiten lässt komme, dass er Elisabeth grundsätzlich an seinem Vermögen beteiligen wollte.

 

Das Verhältnis zu den einzigen gesetzlichen Erben von Max, den beiden Cousins, war darüber hinaus nur sehr lose und oberflächlich, so dass man nicht davon ausgehen kann, dass es im Sinne von Max gewesen wäre, die gesetzliche Erbfolge eintreten zu lassen mit dem Ergebnis, dass die beiden Cousins, mit denen er kaum etwas zu tun hatte, seine Erben werden.

 

Elisabeth kann daher einen Erbschein beantragen, der sie als Alleinerbin nach Max ausweist – ohne dass sie mit ihm verwandt ist und ohne dass sie in seinem Testament ausdrücklich erwähnt wird.

 

 

Rechtsanwalt / Fachanwalt für Erbrecht / Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)

 

Markus Sebastian Rainer

Rechtsanwalt / Fachanwalt für Erbrecht / Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)

 

 

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